2 Aug |
Von Fliegenden Tellern und Maschendrahtzäunen – sind Dialekte komisch?![]() |
Zwar wird viel über die Banalitäten des Alltags gebloggt, doch um damit in die Top Ten der Suchmaschine Google zu kommen muss schon etwas ganz besonders komisch oder außergewöhnlich sein.
Eine Story mit Linkbaitqualität als noch niemand wusste was Blogs sind
Man frage sich: Ist es komisch wenn ein Maschendrahtzaun von einem Knallerbsenstrauch in Mitleidenschaft gezogen wird? Im Prinzip nicht. Es sei denn ein Nachbarschaftsstreit entwickelt sich daraus. Amüsant aber nur für das unmittelbare Umfeld. Wenn die zerstrittenen Nachbarn dann aber öffentlich im Fernsehen auftreten und ihren Streit vor einem Millionenpublikum austragen, sieht das schon anders aus. So geschehen im September 1999, als es noch die DM gab, das Internet noch nicht das breitenwirksame Massenmedium war und die Suchmaschine Google noch in den Windeln steckte. Und trotzdem. Man hätte vielleicht darüber geschmunzelt, das Ganze aber schnell wieder vergessen.
Wäre nicht ein populärer Entertainer auf die Idee gekommen die “Keywords” aus dem Fernsehbeitrag zu isolieren und im ihrem O-Ton in einem Country-Song zu verarbeiten. Die Welt hätte keinen Schimmer von Regina Zindler und der einzigartigen Tonalität des vogtländischen Dialekts. Stefan Raab wirkte hier als Katalysator. Die Song vom Maschendrahtzaun wurde ein Riesenerfolg.
Hätte es damals schon eine Blogosphäre gegeben, hätten einige Weblogs garantiert Karriere als Linkbait gemacht, denn die Story war dafür wie geschaffen.
Spätfolgen eines Polizeinotrufs
Neun Jahre später in 2008 schaffte es eine bis dahin unbekannte Frau zum Internetstar aufzusteigen. Diesmal jedoch gänzlich ohne prominente Promotion. Wiederum spielte ein deutscher Dialekt eine Rolle, welcher einer breiten Öffentlichkeit bislang wenig vertraut war: Mannheimer Platt.
Die Story ist total banal. Eine Frau ruft bei der Polizei an und beschwert sich über den lauten Nachbarn. Das passiert jeden Tag tausende Male in Deutschland, ohne dass das auch nur eine einzige Schlagzeile wert wäre.
Was war hier nun anders? Erstens lag das Ereignis bei Bekanntwerden schon drei Jahre zurück und zweitens ist der Telefonmitschnitt aus dem Polizeiarchiv als Soundclip bei YouTube gelandet. Eine Garantie für eine Internetkarriere ist das noch nicht, denn tagtäglich werden bei YouTube tausende Videos und Soundclips veröffentlicht. Dieser Dialog zwischen der Anruferin und der Polizei hatte es jedoch in sich. Er geriet zu einer direkten Konfrontation zwischen der deutschen Hochsprache und einem Dialekt, woraus sich zahlreiche Missverständnisse entwickelten. Bei den Hörern sorgte dies für große Erheiterung.
Findige Blogmaster hatten den Mitschnitt als Soundclip entdeckt und ihn in ihren Blogs verlinkt. Das löste eine Kettenreaktion aus und binnen kürzester Zeit wurde er zum meistaufgerufenen Clip bei YoutTube. Erst recht als es die Story in die Onlineausgaben der Printmedien schaffte. Jeder wollte den Mitschnitt hören und Blogs, die den Clip verlinkt hatten und über den Hype berichteten, durften sich über viele neue Backlinks und Besucher freuen.
War es nun die bildhafte Sprache der Anruferin “Bei mir sinn die Deller vunn de Wend gfloge”, ihre energische Art, wie sie mit der Polizei in schwerem Dialekt gesprochen hatte oder die Tatsache, dass der Telefonmitschnitt gar nicht hätte veröffentlicht werden dürfen?
So wie es aussieht, ist es das Zusammentreffen vieler Einzelumstände, welche der Mannheimerin Christine Zehnbauer zu unverhoffter Internetberühmtheit verhalfen und meinungs-blog.de, oneview.de, textschubla.de, diefettenjahre.blog.de und vielen anderen Blogs zu zahlreichen neuen Backlinks.
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