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Jan

Neuromarketing

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neuromarketingKlassische Werbung, in deren Zentrum die Darstellung bestimmter Produkteigenschaften stand und die somit auf rationalem Weg eine Beeinflussung der Kaufentscheidung zu bewirken versuchte, verliert zunehmend an Bedeutung. Es gehört mittlerweile zum Marketing Basiswissen, dass Kaufentscheidungen zu einem sehr hohen Anteil irrational getroffen werden und der Kunde nach dem Kauf meist nicht in der Lage ist, seine Entscheidung für eine bestimmte Marke rational zu begründen. Die Werbung hat darauf schon längst reagiert und versucht, den Kunden emotional anzusprechen. Das Neuromarketing hat sich zum Ziel gesetzt, diese Form der Werbung zu optimieren. Dies setzt voraus, dass die Wirkung der auf das Unterbewusstsein zielenden Werbung quantifiziert und auch durch geeignete Messverfahren überprüft werden kann.

Die Kundenbefragung im neuronalen Marketing

Das klassische Messverfahren zur Bestimmung der emotionalen Wirkung von Werbung bestand in der Kundenbefragung. In Umfragen oder auch in gezielten Laboruntersuchungen mit ausgewählten Probanden wurden Selbsteinschätzungen der Betrachter der Werbung abgefragt, welche Emotionen das Betrachten der Werbung bei ihnen ausgelöst hat. Dieses Verfahren erwies sich allerdings als unzuverlässig. Einerseits weisen solche subjektiven Selbsteinschätzungen ohnehin eine große Fehlerbreite auf, andererseits werden häufig auch bewusst falsche Antworten gegeben. Letzteres ist dem Umstand geschuldet, dass es vielfach als Zeichen von Schwäche oder gar mangelnder Intelligenz interpretiert wird, sich von Werbung beeinflussen zu lassen. Daher wird häufig geleugnet, von Werbung emotional positiv angesprochen zu werden. Weitere Fehlerquellen schränken die Anwendbarkeit von Kundenbefragungen im Neuromarketing zusätzlich ein. In einer Werbekampagne für Damenunterwäsche wurden beispielsweise neben Models auch Frauen mit eher durchschnittlichem Äußeren gezeigt. In Befragungen wurden mit überwältigender Mehrheit die Anzeigen mit letztgenannten Damen als die besseren und ansprechenderen bezeichnet, direkte Messungen zeigten aber ein klar anderes Ergebnis. Offenbar waren die Antworten in den Befragungen eher Ausdruck des Versuchs, einem diesbezüglichen gesellschaftlichen Konsens zu entsprechen. Nur am Rande sei angemerkt, dass Demoskopen und Wahlforschern dieses Problem seit langem ebenfalls bekannt ist. In deren Interviews ist die Zustimmung zu rechtsradikalen Parteien häufig deutlich niedriger als in der Wahlkabine.

Neuromarketing setzt heute auf direkte Hirnmessungen

Die im neuronalen Marketing heute eingesetzten direkten Messverfahren emotionaler Wirkungen entstammen der Hirnforschung und dienten ursprünglich ausschließlich medizinischen Zwecken. Im Kernspintomographen wird dabei beobachtet, welche Regionen des Gehirns durch Werbebotschaften aktiviert oder auch ausgeschaltet werden. So wurde beispielsweise in dem genannten Beispiel der Kampagne für Damenunterwäsche festgestellt, dass es eben doch die Aufnahmen der Fotomodelle waren, die das Belohnungszentrum im Gehirn stärker aktivierten. Genau diese Hirnregion ist es, die das Gefühl auslöst, ein Produkt besitzen zu wollen. Das führt allerdings keinesfalls zu einer direkten Kaufentscheidung. Der Weg dorthin hat sich mittlerweile als sehr viel länger und komplizierter erwiesen, als Verfechter des Neuromarketings anfänglich angenommen haben. Messungen dieser Art haben weitere interessante Ergebnisse geliefert, die wirkliche Herausforderungen für das neuronale Marketing darstellen. So wurde beispielsweise in einer amerikanischen Studie mittels einer Gruppe von Konsumenten der Geschmack von Pepsi Cola und Coca Cola verglichen. Solange die Probanden nicht wussten, um welches Getränk es sich jeweils handelte, schnitt Pepsi Cola deutlich besser ab. Erst als die Marke kenntlich gemacht wurde, lag Coca Cola weit vorne. Überraschend war, dass die Probanden keinesfalls logen. Die Messungen zeigten, dass ihnen in diesem Fall Coca Cola wirklich besser schmeckte. Ein weiteres aktuelles Ergebnis solcher Untersuchungen besteht darin, dass bei Männern die Frontpartien von Autos im Gehirn ähnliche Aktivierungsmuster bewirken wie Frauengesichter. Es bleibt abzuwarten, ob sich das Autodesign angesichts dieser Erkenntnis von den derzeit häufig anzutreffenden markanten Formen weg entwickeln wird.

Neuronales Marketing hat Grenzen

Die Möglichkeiten des Neuromarketings werden oft stark übertrieben dargestellt. Am Anfang des modernen neuronalen Marketings stand eine Untersuchung aus dem Jahr 2003, in der festgestellt wurde, dass starke Markennamen eine vergleichsweise geringe Aktivierung von Hirnregionen bewirken, die für die rationale Verhaltenssteuerung zuständig sind. Ein eher wenig spektakuläres Forschungsergebnis, das es gleichwohl in Großbuchstaben auf die Titelseite von „BILD“ schaffte: „Bewiesen: Beim Shoppen setzt der Verstand aus“. Offenkundig eignet sich Neuromarketing bestens als Projektionsfläche für Ängste, durch unterschwellige Botschaften lasse sich der Mensch in eine willenlose Marionette verwandeln, die seit Orwells „1984“ und Huxleys „Schöne neue Welt“ die Science Fiction beschäftigt. Von der Realität sind solche Vorstellungen weit entfernt. Es soll keineswegs in Abrede gestellt werden, dass es schwerwiegende ethische Fragen aufwirft, wenn Ergebnisse großenteils öffentlich finanzierter Forschung in dieser Weise genutzt werden, aber die Erfolge dieser Bemühungen sind doch eher bescheiden. Der Satz „Es gibt keinen Kaufknopf im Gehirn“ ist mittlerweile so oft zitiert worden, dass die ursprüngliche Quelle kaum noch identifizierbar ist. Neuromarketing ist zum Modewort geworden, unter dem die Werbewirtschaft ihre Dienstleistungen anpreist. Vieles klingt dabei eher merkwürdig: Seit Neuromarketing wissen wir, dass man Damenunterwäsche am besten durch attraktive Models präsentieren lässt! Ganz unbekannt war das auch vorher nicht. Auch die Idee, auf einigen amerikanischen Parkplätzen Kaffeeduft zu verbreiten um den Umsatz anliegender Coffe-Shops anzukurbeln, wird als Ergebnis der Hirnforschung angepriesen.
Die Liste ließe sich fortsetzen und nährt den Verdacht, dass ein wesentlicher Erfolg des Neuromarketings der Erfolg des Neuromarketings selbst ist. Mit einigen kernspintomographischen Aufnahmen wird der Eindruck vermittelt, bei Werbung handele es sich um eine komplexe wissenschaftliche Disziplin, die nur wenige Eingeweihte überhaupt verstehen können. Die Etats der Unternehmen für neuronales Marketing wachsen ständig und die Suchwortstatistiken von Google weisen ein rasant zunehmendes Interesse an diesem Thema aus. Der Nachweis auch nur einer einzigen erfolgreichen Produkteinführung aufgrund neurowissenschaftlicher Erkenntnisse steht aber nach wie vor aus. Abgesehen vom Neuromarketing selbst natürlich. Das verkauft sich prächtig.

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Kommentare

ein Kommentar zu “Neuromarketing”

  1. Frank am 18.01.2010 um 00:17 Uhr 

    Das Ergebnis mit Pepsi und Coke ist wirklich genial und war mir bislang unbekannt. Nach meinen persönlichen Erfahrungen im Kernspin erscheint mit der umfassendere Einsatz des Neuromarketings allerdings wenig realistisch solange keine einfacheren Messmethoden realisiert werden.
    Frank´s last blog ..Kiva-Mikrokredite als Weihnachtsgeschenke My ComLuv Profile

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